Eishockey mal nicht auf Augenhöhe – Para-Eishockey zu Besuch in Stuttgart

 

Als Torwart der U13 ist es Tim Gimmel gewohnt, das Tor der Young Rebels sauber zu halten. Vom Torraum aus hat er seine Mitspieler und die Gegner gut im Blick und kaum ein Puck schafft es an ihm vorbei in das Stuttgarter Tor. Und wenn dann ein Gegner wie Steven Betz kommt, der ihm auf dem Eis nur ungefähr bis zu Bauch geht, sollte das eigentlich kein Problem für ihn sein. Dennoch war es für Tim am vergangenen Freitag alles andere als einfach, die Schüsse von Steven auf sein Tor erfolgreich abzuwehren.
Zugegeben, ganz fair war der Wettbewerb zwischen den beiden nicht – und es ging auch nicht um Punkte, sondern um den guten Zweck. Denn Steven Betz ist einige Jahre älter als Tim, Nationalspieler und außerhalb des Eises auch ein gutes Stück größer als er. Aber während Tim sich vor dem Spiel die Schlittschuhe anzieht, ist Stevens Arbeitsgerät der Eisschlitten – er ist im Para-Eishockey aktiv. Der 30-Jährige nutzte seinen Besuch bei dem Spiel der Stuttgart Rebels dazu, Werbung für seine Sportart zu machen.
Beim Para-Eishockey sind viele Regeln dem „Fußgängerhockey“ entliehen, wie die Para-Spieler das klassische Eishockey liebevoll nennen. Aber es gibt auch einige Unterschiede. Am auffälligsten ist der Schlitten, mit dem sich die Spieler auf dem Eis bewegen. Auch sind die Spieler mit zwei Schlägern ausgestattet, die mit Spikes versehen sind und auch zur Fortbewegung auf dem Eis genutzt werden. Para-Eishockey ist eine inklusive Sportart und wird primär von Spielern mit Einschränkungen der unteren Gliedmaßen gespielt. Im deutschen Ligenbetrieb steht sie auch Spielern ohne körperliche Einschränkungen offen. In Deutschland wird Para-Eishockey nur an wenigen Standorten aktiv betrieben – in Baden-Württemberg ist neben Stevens Heimatverein in Waldbronn (bei Karlsruhe) nur noch ein Team in Freiburg aktiv. Daher geht es ihm vor allem um die Werbung für die Sportart und um die Gewinnung neuer Mitspieler: „Vielen ist die Sportart unbekannt, die genauso von Action und Geschwindigkeit geprägt ist, wie das normale Eishockey“, so der 30-jährige:
„Damit wir die Attraktivität der Sportart steigern können, brauchen wir mehr Mitspielerund idealerweise auch weitere Spielorte.“

Para-Eishockey also auch in Stuttgart? Für Christian Ballarin ist das zumindest langfristig denkbar: „Wir haben hier in Stuttgart ein großes Einzugsgebiet und die Stadt Stuttgart hat stets darauf geachtet, dass die Eiswelt weitestgehend barrierefrei ist“, so der 1. Vorsitzende
des Stuttgarter Eishockey-Clubs. Von verschiedenen Seiten wurde schon Interesse an einem Stuttgarter Team bekundet. Damit das möglich ist, müssen aber die Voraussetzungen geschaffen werden. Für eine Stuttgarter Para-Mannschaft fehlen aktuell die Eiszeiten und eine barrierefreie Ausgestaltung weiterer Bereiche wie der Spielerbänke und der Umkleiden. Beides könnte mit der geplanten dritten Eishalle geschaffen werden. „Wir würden uns über ein entsprechendes Angebot sehr freuen“, so Christian Ballarin: „Das wäre eine Bereicherung nicht für unseren Verein, sondern für die ganze Stadt Stuttgart.“

Für den U13-Torhüter Tim waren die zwei Pucks, die in seinem Tor gelandet waren, schnell vergessen. Für ihn war das Zusammentreffen mit Steven vor allem eine interessante Erfahrung: „Es ist schon eine Umstellung, da das Spiel viel näher an der Eisfläche stattfindet. Aber eshatmir viel Spaß gemacht.“ Auch den anderen Beteiligten hat die gemeinsame Aktion viel Freude bereitet. Es wird sicherlich nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ein Para-Eishockey-Spieler in Stuttgart zu Gast war.


Steven Betz (Mitte) beim Eröffnungsbully mit Matthew Pistilli (Stuttgart Rebels – links) und Oula Uski (Heilbronner Falken – rechts)